Welchen Vorteil wünschen Sie sich?

ZeitschriftenLesezeit 3 min.

Mit LiDAR auf der Suche nach Rückegassen im Wald

Zum Schutz des Waldbodens und als Hilfe bei Planungsaufgaben wird im Kanton Aargau die Feinerschliessung digitalisiert. Mit Bilderkennungssoftware und künstlicher Intelligenz konnte dieser Prozess deutlich vereinfacht und beschleunigt werden – Raffael Bienz/Andreas Freuler

Feinerschliessung reduziert das Risiko von Bodenschäden und Schäden am bleibenden Bestand auf eine kleine Fläche bzw. auf wenige Bäume. Feinerschliessung dient zudem der Arbeitssicherheit, der Übersicht und der Effizienz. Sorgfältig geplante und optimal angelegte Feinerschliessung ermöglicht die Bewirtschaftung von möglichst viel Waldfläche bei möglichst wenig Befahrung. Die Planung und Optimierung von Feinerschliessung ist aufwendig. Ausserdem bedeutet bereits eine einmalige Befahrung eine Störung des Waldbodens. Feinerschliessung wird darum dauerhaft bestimmt und für alle 
weiteren Eingriffe benutzt. 

Nach Sturmereignissen oder auch nach einer jahrzehntelangen Verjüngungsphase ohne Befahrung sind die Rückegassen im Gelände teilweise kaum mehr auffindbar. Und bei Personalwechseln kann das Wissen über den Verlauf der Feinerschliessung verloren gehen. Aus diesen Gründen empfiehlt die Abteilung Wald des Kantons Aargau, die Erschliessung digital zu erfassen, und unterstützt die Forstbetriebe bei dieser Arbeit mit Beratung, Vor- und Nachbereitung der digitalen Erfassung sowie mit GPS-Geräten.

Die Waldstrassen sind bereits heute systematisch für den ganzen Kanton kartiert und werden den Försterinnen und Förstern in einer GIS-Webapplikation (BKOnline) für die Planung zur Verfügung gestellt. Die Feinerschliessung hingegen wurde erst auf rund 40 Prozent der Waldfläche kartiert. Vor 2014 erfolgte die Erfassung der Feinerschliessung ausschliesslich mit GPS-Geräten im Wald. Seit 2014 stehen für den ganzen Kanton Aargau LiDAR-Daten zur Verfügung, und die Erfassung per GPS wird durch eine manuelle Erfassung am Computer ergänzt. Dazu wird aus den LiDAR-Daten ein digitales Geländemodell (DTM) berechnet, und dieses dann so bearbeitet, dass Bodenstrukturen gut sichtbar sind. Die klassische Methode, um die Bodenstrukturen gut erkennbar zu machen, ist das sogenannte «hillshading». Dabei wird ein bestimmter Sonnenstand simuliert und dann der theoretische Schattenwurf des Geländes berechnet und auf einer Karte dargestellt (Abbildung 2 links). 

Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass gewisse Bodenstrukturen je nach Sonnenstand, der simuliert wurde, nicht zu sehen sind (zum Beispiel parallel zur Sonneneinstrahlung verlaufende Fahrspuren oder Fahrspuren in Nordhängen, falls die Sonne im Süden simuliert wurde). Darum hat der Kanton Aargau eine eigene Methode zur Hervorhebung von Boden-
strukturen entwickelt. Diese «Aargauer Methode» funktioniert unabhängig von einem simulierten Sonnenstand und hebt alle Bodenstrukturen gleichmässig 
hervor (Abbildung 2 rechts).

Auf dieser Karte können die häufig gut sichtbaren Fahrspuren direkt digital nachgezeichnet werden. Mithilfe dieser Karte lassen sich etwa zwei Drittel der Feinerschliessung rekonstruieren und digitalisieren. Dieser Arbeitsschritt ist trotz den technischen Hilfsmitteln, die heute für die Erfassung der Feinerschliessung zur Verfügung stehen, sehr zeitaufwendig. Und: Das Erkennen der Fahrspuren erfordert Übung.

Modell lernt Merkmale zu erkennen

Im Rahmen seiner Abschlussarbeit nach einer Weiterbildung im Bereich Data Science an der Fachhochschule Nordwestschweiz hat einer der Verfasser dieses Artikels, Raffael Bienz, basierend auf den bestehenden Daten (Bodenstrukturkarten und bereits erfasste Fahrspuren) ein auf den bestehenden Daten (Bodenstrukturkarten und bereits erfasste Fahrspuren) basierendes Bilderkennungsmodell entwickelt, um für die bisher nicht kartierte Kantonsfläche die Fahrspuren automatisch zu erfassen. Dazu wurde ein künstliches neurales Netzwerk verwendet und so trainiert, dass es die Feinerschliessung auf der Bodenstrukturkarte automatisch erkennen und markieren kann. Als Grundstruktur für das Modell wurde ein sogenanntes «U-Net» verwendet, das für die Analyse von medizinischen Bildern entwickelt wurde. Interessant dabei ist, dass die medizinischen Elektronenmikroskop-Bilder eine optische Ähnlichkeit mit den Bodenstrukturkarten aus Lidar haben (beides Graustufenbilder). Dies könnte ein Grund sein, warum das Modell auch für die LiDAR-Daten so gut funktioniert hat. Das Modell ist in Schichten aufgebaut und weisst, wie der Name sagt, eine U-förmige Struktur auf (Abbildung 3). Auf der linken Seite wird ein Ausschnitt der Bodenstrukturkarte (150×150 Meter) dem Modell übergeben. Dann verarbeitet das Netzwerk den Input (linke Seite des U) und extrahiert aus der Bodenstrukturkarte 
charakteristische Merkmale. 

Genau diese Merkmale vermag das Modell zu lernen und während des Trainingsprozesses automatisch zu erkennen. Je tiefer das Netzwerk reicht, desto komplexere Merkmale können erkannt werden. In den höheren Schichten werden nur ganz einfache Strukturen, etwa Linien und Kanten, erkannt. In den tieferen Schichten können dann ganz komplexe Strukturen, wie die Fahrspuren, 
erkannt werden.

In einem zweiten Schritt (rechte Seite des U) kreiert das Netzwerk aus den erkannten Merkmalen eine sogenannte Maske. Die Maske markiert auf dem Input-Bild alle Pixel, die als Fahrspuren erkannt 
wurden (Abbildung 4).

Mit dieser Methode wurde für den Kanton Aargau eine Fahrspurenkarte berechnet. Allerdings war der so erstellte Datensatz für die weitere Verwendung noch nicht optimal. Damit man den Datensatz weiterverarbeiten und auswerten kann, müssen die Pixelreihen in Linien umgewandelt werden (vom Raster- zum Vektordatensatz). Darum wurde in einem zweiten Schritt ein weiterer Algorithmus entwickelt, der die vom Modell gefundenen Linien vektorisiert. So erhält man einen Datensatz, der unabhängig von der Zoomstufe den Verlauf der Fahrlinien unverpixelt darstellt (Abbildung 5).

Insgesamt hat die Methode sehr gut funktioniert: Etwa 90 Prozent der auf den Bodenstrukturkarten sichtbaren Fahrspuren wurden gefunden, und so konnten rund 126 000 Fahrlinien im Kanton Aargau automatisch kartiert werden. In einigen wenigen Fällen hat es das Modell aber auch zu gut gemeint und Waldstrassen oder Entwässerungsgräben fälschlicherweise als 
Fahrspuren klassiert. 

Das so entstandene Produkt wird bereits erfolgreich als Grundlage für die Erfassung und Optimierung der Feinerschliessung eingesetzt und erleichtert die Arbeit der Forstbetriebe bei der Dokumentation der Feinerschliessung erheblich: Die erfassten Fahrspuren werden den Forstbetrieben auf einem GPS-Gerät mit GIS übergeben. Mit Lokalwissen kann ein Grossteil der automatisch kartierten Fahrspuren direkt als Feinerschliessung deklariert werden. Die restlichen Fahrlinien oder frische Rückegassen werden dann «konventionell» mit dem GPS-Gerät erfasst und im GIS digitalisiert. Auf dieser Grundlage kann anschliessend das Feinerschliessungssystem 
optimiert werden. Das definitive und digitalisierte Feinerschliessungsnetz ist Basis fürs Erstellen von Arbeitsaufträgen oder Holzschlagskizzen. Beim Unternehmereinsatz werden die Daten auf Wunsch vorgängig verschickt, womit sie den Maschinisten im Bord-GPS zur Verfügung stehen. Das auf die Erkennung der Fahrspuren im Aargau trainierte Modell steht frei im Internet zur Verfügung. Erste Tests mit Swisstopo-LiDAR-Daten von anderen Kantonen haben gezeigt, dass es auch dort gut funktioniert.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? In der Zeitschrift "Wald und Holz" finden Sie den gesamten Artikel sowie zahlreiche weitere lesenswerte Artikel.

ähnliche News aus dem Wald